Wir hatten heute eine hitzige Diskussion am Mittagstisch. Ich hatte zuvor noch überlegt, ob ich lieber allein sitzen möchte. Dann fand ich mich im Kreis meiner männlichen Mitschüler – der Gemeinschaft wegen. Irgendwie kamen wir von Gesprächen über das Essen, zu genetisch bedingt unterschiedlichen Stoffwechseln, zu Frauenbusen und schließlich zu Sexpuppen in Japan. Ich war absolut von den Socken, als ich hörte, dass es jetzt sogenannte „real dolls“ gibt. (Vielleicht gibt es die auch schon länger; ich lebe manchmal in meiner eigenen Welt, was ich inzwischen auch ganz ok finde). Diese Puppen werden jedenfalls verkleidet und zum Sexualverkehr benutzt. Angeblich gibt es auch schon Männer, die so eine Puppe geheiratet haben.
„Waaaas? Wie pervers ist das denn?!!!“ Mir stand die Empörung ins Gesicht geschrieben – zur Belustigung des Männerkreises. Ich war nicht zu halten. Anna hat schließlich was zu sagen! Ich ließ mich aus über falsche Regulierung, den Werteverfall, derbe Konsumgewohnheiten, Perversionen, schlechte Kindheiten, wetterte gegen all die Gewalt und den Mangel an Liebe, der für mich hinter solchen Aktionen steckt. „Glaube muss her!“, meine Parole. „Egal welcher, Hauptsache die Menschen fangen an, wieder an das Göttliche zu glauben und das Göttliche in sich zu suchen!“ Spiritualität suchen, Leben finden. Hauptsache Glauben und diesen Glauben in den Lebensalltag integrieren! Punkt…“Atmen, Anna!“
Ich habe vor ein paar Jahren in der Auseinandersetzung mit meinem Glauben und dem Christentum ein Buch gekauft: „Beten wir alle zum gleichen Gott?“ von Dr. Andreas Renz. Ich habe auch begonnen, es zu lesen. Eigentlich wollte ich eine Art Rezension darüber in diesem Blog veröffentlichen. Doch irgendwie habe ich das Buch immer wieder beiseite gelegt – es war mir zu theologisch, ich fand keinen Zugang und hatte nicht die Muse, weil mich andere Fragen beschäftigten. Ich habe nach dem heutigen Tag die Ambition losgelassen, dieses Buch selbst irgendwann nochmal zu lesen. Vielleicht schenke ich es weiter, wenn es jemanden interessiert (?). Für mich ist nicht wichtig, was uns Menschen im Glauben und im Gebet trennt, sondern, was uns verbindet. Ich möchte mit anderen Menschen gemeinsam beten, ohne vorher abzuchecken, ob jemand Christ ist oder nicht. Jesus hat die Menschen auch nicht gefragt, ob sie Christ sind oder nicht, bevor er mit ihnen ins Gespräch gekommen ist. Ich denke, dass interreligiöser Dialog wichtig ist. Die gemeinsame Zusammenkunft zum Gebet kann ein Weg dazu sein. Oder etwa nicht?
Es ist schon spannend, wie einen Gespräche am Mittagstisch bewegen und inspirieren können. Das wäre mir allein mit meinem Tischgebet im Abseits doch glatt entgangen. Manchmal tut mir so ein wenig Aufbrausen echt gut.